Yves Cruchten: “Kein Referendum über die Todesstrafe in Europa!”

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 immer wieder die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei ins Spiel gebracht, nicht zuletzt in der Wahlkampagne für das Verfassungsreferendum Mitte April.

Sollte das türkische Parlament kein Gesetz zur Wiedereinführung der Todesstrafe beschließen, so hat Erdogan versprochen, diese Frage per Referendum klären zu lassen. Der türkische Präsident spielt hier ein gefährliches Spiel, ein Spiel, das die Türkei politisch und zivilisatorisch um Jahrzehnte zurückwerfen würde. Zur Erinnerung: Die letzte Vollstreckung in der Türkei hatte 1984 stattgefunden, und noch 2004 hatte Erdogan selbst, damals als Regierungschef, die Todesstrafe abschaffen lassen.

Sollte die Todesstrafe in der Türkei jetzt wiedereingeführt und auch angewandt werden, dann würde sich Erdogan endgültig vom einstigen proeuropäischen Reformkurs des Landes verabschieden. Die Türkei würde damit die letzte rote Linie der EU überschreiten und einen Abbruch der Verhandlungen über einen möglichen EU-Beitritt provozieren.

Als ständiger Berichterstatter zur Abschaffung der Todesstrafe in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats weise ich zudem darauf hin, dass die Türkei damit auch die von ihr unterschriebene Europäische Menschenrechtskonvention sowie das Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe brechen würde. Diese eindeutige Abkehr von den gemeinsamen Werten, auf die sich die Mitgliedstaaten des Europarats verständigt und auf deren Einhaltung sie sich verpflichtet haben, muss dann auch zu einem Ausschlussverfahren aus dem Europarat führen.

Bei aller Kritik, die man gegen einzelne Mitgliedstaaten des Europarates anführen kann – wie ich es selber oft genug tue –, stellt ein eklatanter Bruch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention doch einen Schritt dar, bei dem keine Kompromisse mehr möglich sein dürfen.

Verletzung der  Menschenrechte

 

Die Todesstrafe ist und bleibt eine Verletzung der fundamentalsten aller Menschenrechte: dem Recht auf Leben und dem Verbot der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafen oder Behandlungen. Ein mögliches Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei stellt uns daher nicht nur vor die Frage, wie wir auf das Resultat reagieren würden, sondern auch, wie wir mit dem Referendum selbst umgehen sollen.

Dazu muss man wissen, dass ausländische Botschaften und Konsulate nicht automatisch das Recht haben, ihre Landsleute auf dem Staatsgebiet eines anderen Staates an einer Wahl oder Abstimmung teilnehmen zu lassen, sondern dass dies stets der generellen Zustimmung dieses Staates bedarf. Mit anderen Worten: Luxemburg kann es den türkischen Parteien verbieten, in Luxemburg Kampagne für dieses Referendum zu machen und ihren Bürgern, hier an der Abstimmung teilzunehmen. Deutschland ist diesen Schritt bereits gegangen.

Außerdem hat der Vorsitzende des Europaausschusses im Deutschen Bundestag, Gunther Krichbaum, ein gemeinsames europäisches Vorgehen in dieser Sache gefordert. Dem schließe ich mich an. Die europäischen Staaten müssen hier ein geschlossenes Zeichen gegen die Unterhöhlung des europäischen Fundamentes setzen.

Ich rufe daher auch unsere Regierung dazu auf, diesen Schritt zu gehen und sich ebenfalls für ein europäisches Vorgehen einzusetzen. Gegen die Todesstrafe und für die humanitären und aufgeklärten Gesellschaften Europas, auf die ich trotz allem wage, immer noch stolz zu sein!

 

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