Taina Bofferding: “Aus RMG wird Revis – Wichtiger Baustein der Armutsbekämpfung in Luxemburg”

Eine effektivere Armutsbekämpfung, mehr Geld für Familien mit Kindern, zusätzliche Unterstützung für Alleinerziehende, gezielte Unterstützungsmaßnahmen für eine bessere Eingliederung in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft – das verspricht die Reform des garantierten Mindesteinkommens (RMG, „revenu minimum garanti“), die in Kürze in der Abgeordnetenkammer zur Abstimmung kommen wird.

Es war höchste Zeit für eine Reform. Die umfassende Erneuerung beinhaltet eine ganze Reihe grundlegender Verbesserungen gegenüber der aktuellen Gesetzgebung, insbesondere durch Nachbesserungen, die die LSAP eingefordert hat.

Aus RMG wird demnach Revis – „Revenu d’inclusion sociale“ – zu Deutsch: Einkommen zur sozialen Inklusion. Wichtige Verbesserung ist die klare Rollenaufteilung zwischen den verschiedenen Instanzen; die Kompetenzen des neuen „Office national d’inclusion sociale“ (ONIS) und die der Arbeitsmarktagentur (ADEM), ebenso wie die Koordination und Abstimmung der Begleitmaßnahmen je nach Bedürfnissen und Kompetenzen der Revis-Antragsteller. Vorgesehen ist ein breites Spektrum an Angeboten: von Angeboten zur Stabilisierung der gesundheitlichen, psychischen oder familiären Situation, über gemeinnützige Arbeiten, bis zur Schulung und Fortbildung als letzte Stufe vor der Integration in den regulären Arbeitsmarkt.

Ziel ist die „Aktivierung“ der Empfänger – wobei über 90 Prozent der heutigen RMG-Bezieher arbeiten (!), ihr Einkommen jedoch nicht ausreicht, um davon zu leben. Ziel der Reform ist es, den Menschen nicht nur, wie bisher, finanziell unter die Arme zu greifen, sondern ihnen zu ermöglichen, in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen. Beim heutigen garantierten Mindesteinkommen lohnt es sich ab einem bestimmten Einkommen für einen Haushalt nicht mehr, zu arbeiten, weil durch das steigende Einkommen das „Complément RMG“ wegfällt.

Eine wichtige Verbesserung ist demnach, dass künftig in einem Haushalt mit mehreren Revis-Empfängern, mehr als nur ein Erwachsener eine Maßnahme nutzen darf. Diese Neuregelung kommt insbesondere den Frauen zugute, die bislang oftmals zur Inaktivität verdammt waren, da bereits ihr Mann oder Lebenspartner in den Genuss einer zielgerichteten Unterstützung kam. Es ist diesbezüglich absolut notwendig, dass ausreichend geeignete soziale und berufliche Aktivierungsmaßnahmen für die Betroffenen bereitstehen, denn damit steht und fällt die ganze Reform.

Eine weitere wichtige Änderung ist der neue Berechnungsmechanismus: Empfänger, die ihre berufliche Aktivität erhöhen, werden für diese Mehrarbeit entlohnt. Doch lag anfangs hier der Schwachpunkt der Reform, denn nicht alle Haushalte haben diese Möglichkeit. Menschen, die nicht Vollzeit arbeiten können, sei es aus familiären oder auch gesundheitlichen Gründen, oder aber, weil der Arbeitgeber keinen Vollzeitjob zu vergeben hat, wären die Verlierer dieses neuen Systems. Leidtragende wären vor allem (alleinerziehende) Familien gewesen, sodass wir in diesem Punkt gezielte Nachbesserungen gefordert haben. Mit Erfolg: Durch die auf Drängen der LSAP gemachten Änderungsvorschläge erhalten Familien mit Kindern eine weitere Unterstützung – zusätzlich zu den ohnehin im Vergleich zu heute erhöhten Unterstützungsbeträgen für Kinder sowie den Spezialhilfen für Alleinerziehende.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass Verbesserungen in Sachen Unterhaltspflicht dringend notwendig wären. Bislang kann der erziehungsberechtigte Elternteil einen Unterhaltsvorschuss von der öffentlichen Hand erst in Anspruch nehmen, wenn alle juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind – ein unzumutbarer Spießrutenlauf für Alleinerziehende, die mit dem Existenzminimum auskommen und sich dabei zumeist allein um Haushalt und Kind kümmern müssen. Diese Problematik sollte ins Blickfeld der Politik rücken.

Schwierig bleibt auch weiterhin die Definition der „Communauté domestique“: Betroffene erhalten u. U. keine Sozialhilfe, weil das Einkommen der Personen, mit denen sie die Wohnung teilen, als Einkommen der Gemeinschaft betrachtet und mit einberechnet wird. Gerade in Anbetracht der hohen Wohnungspreise und dem daraus steigenden Anteil an Wohngemeinschaften müssen klare und transparente Kriterien festgelegt werden, wann ein Haushalt als Haushaltsgemeinschaft gilt und wann als Wohngemeinschaft, wo jeder unabhängig voneinander lebt.

Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen nötig, um das Phänomen der „Working Poor“ zu bekämpfen. Hier fordert die LSAP eine Erhöhung des Mindestlohns sowie eine Neujustierung der Steuerpolitik.

Das Revis-Projekt ist ein wichtiger Baustein in der Armutsbekämpfung in Luxemburg. Der Staat steht in der Pflicht, den Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft bestreiten können, unter die Arme zu greifen. Für uns Sozialistinnen und Sozialisten muss ein starker Sozialstaat Garant sein gleichermaßen für das Gemeinwohl und für eine hohe Lebensqualität. Deshalb werden wir weiterhin alles daransetzen, um den Sozialstaat zu stärken und langfristig abzusichern!

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