LSAP für freien Handel mit klaren Regeln

In der folgenden Kongress-Nachlese wird es darum gehen, die kontroverse Parteitagsdebatte über die beiden Freihandelsabkommen CETA und TTIP nachzuzeichnen. Befürworter und Kritiker gaben sich dabei sichtlich Mühe, die über 200 LSAP-Delegierten von ihrem jeweiligen Standpunkt zu überzeugen. Am Ende setzte sich die Parteileitung mit ihren beiden Resolutionsentwürfen durch.

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Gleich zu Beginn des außerordentlichen Kongresses stellte LSAP-Generalsekretär Yves Cruchten klar, dass es weder um einen Showdown noch um einen parteiinternen Bruch gehe, sondern darum, die Vorstellungen der Partei über gerechten und fairen Handel öffentlich zu diskutieren. Das sei einzigartig und zeige die Stärke einer Partei, in der jedes Mitglied mitreden könne. „Wir streiten miteinander für eine gerechte Gesellschaft, fair und kollegial, so Cruchten, der an die Geschlossenheit der LSAP appellierte.

CETA ist nicht TTIP

LSAP_Kongress_extraord_2016__0091Außenminister Jean Asselborn, der in der Regierung auch für den Außenhandel zuständig ist, hatte sich bereits im Vorfeld des LSAP-Sonderparteitags klar positioniert und als Befürworter des CETA-Abkommens geoutet. Den parteiinternen Kritikern und Bedenkenträgern entgegnete er, dass CETA nicht TTIP und Kanada nicht die USA seien. „Wir brauchen freien Handel“, so Asselborn, der die Sorgen der Menschen hinsichtlich der Konsequenzen der Globalisierung teilt. Wir bräuchten keine bilateralen Freihandelsabkommen, wenn die Welthandelsorganisation funktionieren würde, konstatiert Asselborn und erteilt einem ungezügelten Kapitalismus eine klare Absage. „Wir wollen die Globalisierung mitgestalten und unsere Werte und Standards einbringen.“ Mitreden und mitentscheiden seien lebenswichtig, auch für die Zukunft unseres Landes, so Außenminister Asselborn, der die Bedeutung des Außenhandels für Luxemburg unterstrich und anschließend die Gegenargumente der CETA-Kritiker entkräftete.

Öffentliche Dienstleistungen seien von CETA ausgeschlossen und das in der EU geltende und im Lissabon-Vertrag verankerte Vorsorgeprinzip habe weiterhin Bestand. Nur Produkte, die unbedenklich seien, kämen auf den Markt. Das Recht, Gesetze zu verabschieden, bleibe auch mit CETA Staaten vorbehalten. Kritik übte Jean Asselborn an der bestehenden Schiedsgerichtspraxis, die weder öffentlich noch transparent sei und keine Berufung zulasse. Die auf Drängen von Sozialisten und Sozialdemokraten ins CETA-Abkommen aufgenommene neutrale Schiedsgerichtsbarkeit sieht Asselborn deshalb als klaren Fortschritt. Mittelfristig sollte das alte System privater Schiedsgerichte durch einen internationalen Investitionsgerichtshof ersetzt werden.

Versprechen eingelöst

LSAP-Präsident Claude Haagen wies darauf hin, dass die Partei Wort gehalten und ihr Versprechen eingelöst habe, das CETA-Abkommen nach Abschluss der Verhandlungen zu analysieren und auf einem außerordentlichen Kongress darüber zu befinden. Haagen erinnerte auch an den diesbezüglichen Parlamentsbeschluss, der am 7. Juni mit 58 Ja-Stimmen und zwei Enthaltungen angenommen wurde und klare Vorgaben zur Annahme des CETA-Abkommens formuliert. Diesen Bedingungen trägt die vorgelegte LSAP-Resolution in Gänze Rechnung. LSAP-Präsident Claude Haagen begrüßte auch die Tatsache, dass das vorliegende CETA-Abkommen auf Druck der Gewerkschaften und Zivilgesellschaft substanziell nachgebessert worden sei. Das verdiene Dank und Respekt, so Haagen, der die Einheit der Partei beschwor. Alle Sozialisten seien eine Familie, und das solle auch in Zukunft so bleiben. Die LSAP stehe für sozialistische Werte. Es gehe darum, Globalisierung in die richtigen Bahnen zu lenken und mitzugestalten. „Wir müssen unsere Ideen und sozialistischen Werte einfließen lassen.“

Der freie Handel und die Interessen der Großkonzerne

LSAP_Kongress_extraord_2016__0300Genau daran zweifeln die Kritiker und CETA-Gegner, die in dem geplanten Abkommen eine große Gefahr im Hinblick auf die Verteidigung sozialer Errungenschaften und geltender Umwelt- und Verbraucherschutzstandards sehen. Der freie Handel trage den Interessen der Investoren und Großkonzerne Rechnung, die Druck auf die politischen Entscheider ausübten, befindet Paul Delaunois. Ähnlich der Befund von Nico Wennmacher, der dem CETA-Abkommen bescheinigt, ein guter Vertrag für multinationale Konzerne, nicht aber für arbeitende Menschen zu sein. „Wir müssen uns fragen, auf welcher Seite wir stehen, auf Seiten der Menschen, der Gewerkschaften oder auf Seiten multinationaler Konzerne, so Wennmacher weiter. Der ehemalige Präsident der FNCTTFEL (Landesverband) bekam Rückendeckung vom Präsidenten der Escher OGB-L-Sektion Nando Pasqualoni, der u.a. die Kompliziertheit des CETA-Vertragswerks beanstandete und darauf hinwies, dass es sich hier um eine Entscheidung handele, deren Auswirkungen sich über Jahrzehnte erstreckten. CETA sei der kleine Bruder von TTIP, so Pasqualoni, der beide Abkommen genau wie die Jungsozialisten als neoliberales Machwerk ablehnt. Die beiden Freihandelsabkommen TTIP und CETA seien mit sozialistischen Werten unvereinbar, befinden JSL-Präsident Jimmy Skenderovic und JSL-Generalsekretär Fabio Spirinelli. Hier gehe es um die Zukunft künftiger Generationen und die Unabhängigkeit der Staaten gegenüber multinationaler Konzerne, ergänzt JSL-Vizepräsidentin Margot Delaunois. Ein besonderer Dorn im Auge der CETA- und TTIP-Kritiker sind die geplanten Schiedsgerichte, die den Vertragsgegnern zufolge die Entscheidungskompetenz der Staaten untergraben.

Fortschritt durch internationale Schiedsgerichtsbarkeit

Das Argument gegen Schiedsgerichte entkräftete LSAP-Fraktionspräsident Alex Bodry dahingehend, dass es diese Praxis aufgrund laufender Freihandelsverträge ohnehin schon gebe und Unternehmen auch ohne CETA wegen ungerechter Behandlung klagen könnten. CETA bringt Bodry zufolge eine Verbesserung, da private Schiedsgerichte durch eine professionalisierte internationale Gerichtsbarkeit ersetzt werden. Das sei ein Vorteil, weil Gesetzestexte einheitlich ausgelegt würden und nicht wie bislang von Land zu Land verschieden. Zudem müsste dieser Teil des CETA-Abkommens von sämtlichen nationalen Parlamenten ratifiziert werden, um in Kraft treten zu können. Das verstoße nicht gegen unsere Prinzipien, so Bodry.

Weltoffenheit bringt Wohlstand

LSAP_Kongress_extraord_2016__0365Vize-Premier und Wirtschaftsminister Etienne Schneider erinnerte seinerseits daran, dass Luxemburg es aufgrund seiner Offenheit zu dem gebracht habe, was es heute sei: eines der reichsten Länder der Welt mit einem ausgeprägten und leistungsfähigen Sozialsystem. „Dafür gibt es einen Grund. Wir waren von Anfang an offen für Fremdkapital, offen für neue Menschen und Sprachen, offen für neue Ideen“, so Schneider, der auf den Strukturwandel verwies, den Luxemburg im Laufe der Zeit durchgemacht hat, vom verarmten Agrarland zu einem bedeutenden Stahlstandort hin zu einem erfolgreichen Finanz- und Dienstleistungsstandort. Heute sei Luxemburg im ICT-Bereich weltweit unter den Top 3, verfüge über eine eigene Handelsflotte und sei mit dem Space Mining dabei, ein neues Wirtschaftsstandbein zu erschließen. „Wir sind offen für neue Ideen und neues Kapital. Das ist unser Vorteil. Deshalb haben wir hohes Wachstum und hohe Sozialstandards. Wenn wir jetzt die Tür zu machen, werden wir die Ersten sein, die das bereuen werden“, so Etienne Schneider an die Adresse der CETA-Kritiker.

Soziale Marktwirtschaft: das beste Modell

Auch Innenminister Dan Kersch schlug in die gleiche Kerbe: „Wir brauchen uns nicht dafür zu entschuldigen, dass wir uns für das beste Modell, die soziale Marktwirtschaft entschieden haben“, so Kersch. Kapitalismuskritik sei zwar positiv. Es bringe aber nichts, die moralische Keule herauszunehmen, schließlich habe der Welthandel uns erlaubt, ein gutes Leben hier zu führen. CETA werde sich auch ohne die Sozialisten durchsetzen; auch in Luxemburg gebe es ohne Sozialisten hierfür eine klare Mehrheit, betont Dan Kersch, der den Mehrwert einer Regierung ohne sozialistische Beteiligung nicht sehen kann.

LSAP knüpft Bedingungen an CETA-Zustimmung

Die mehrstündige Debatte zwischen CETA-Befürwortern und -Gegnern endete mit einem klaren Votum zugunsten des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada, unter der Voraussetzung, dass die Bedingungen, die der LSAP-Resolution zugrunde liegen, erfüllt werden. Dies bedeutet konkret, dass CETA als gemischtes Abkommen eingestuft wird und die Bestimmungen zur Investitionsgerichtsbarkeit (ICS) den nationalen Parlamenten aller EU-Mitgliedsstaaten zur Ratifizierung vorgelegt werden müssen. Ferner muss das EU-Parlament dem CETA-Abkommen zustimmen, bevor jene Teile zur Anwendung kommen können, die unter die alleinige EU-Kompetenz fallen. Teile, die nationale Kompetenzen berühren, können erst dann in Kraft treten, wenn deren Ratifizierung durch alle Mitgliedsstaaten erfolgt ist. Außerdem setzt die LSAP-Resolution voraus, dass die Zusatzprotokolle juristisch verbindlich sind, die Unabhängigkeit und Neutralität der Richter der Investitionsgerichtsbarkeit garantiert und festgeschrieben wird, die öffentliche Daseinsvorsorge von Liberalisierungs- und Privatisierungszwängen ausgenommen ist und das Vorsorgeprinzip der EU in Kraft bleibt. Sollten diese Bedingungen nicht erfüllt werden, wird die LSAP CETA ablehnen, so die Vorgabe des Parteibeschlusses zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada.

TTIP: Verhandlungen festgefahren

In Sachen TTIP präsentiert sich die Lage anders. Das Freihandelsabkommen mit den USA ist längst nicht in trockenen Tüchern. Die Verhandlungen seien festgefahren, so Marc Angel, Vorsitzender des parlamentarischen Ausschusses für Außenpolitik. Die Vereinigten Staaten seien nicht bereit einzulenken, weder bei den ILO-Vorgaben und Arbeitnehmerschutzbestimmungen noch bei den privaten Schiedsgerichten. „Wir sind weit weg von einer Einigung“, befindet Marc Angel, außenpolitischer Sprecher der LSAP. Die LSAP-Delegierten trugen diesem Sachverhalt Rechnung und verabschiedeten eine entsprechende Resolution, in der die LSAP ihre Erwartungen und Bedingungen an ein Freihandelsabkommen mit den USA klar formuliert. Ob TTIP überhaupt zustande kommt, erscheint derzeit mehr als fraglich.

 

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