Zum Weltdag fir humanitär Hëllef: “Wort”-Interview mam LSAP-Ressortminister Romain Schneider.

„In Frieden und Würde leben”

Weltweit hat die Zahl der Brennpunkte dramatisch zugenommen. Einerseits mehren sich die bewaffneten Konflikte, andererseits fordert der Klimawandel immer mehr Opfer. Um den Notleidenden zu helfen, riskieren humanitäre Helfer oft ihr Leben. Um ihren Einsatz zu würdigen und derer zu gedenken, die dabei ums Leben gekommen sind, findet heute der Welttag für humanitäre Hilfe statt. Aus diesem Anlass haben wir mit Romain Schneider, Minister für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Angelegenheiten, gesprochen, um Luxemburgs Beitrag zu diesem wichtigen Bereich unter die Lupe zu nehmen.

INTERVIEW: FRANÇOISE HANFF

Herr Schneider, worin besteht der Unterschied zwischen Entwicklungshilfe und humanitärer Hilfe?

Ziel der Entwicklungshilfe ist, strukturelle Probleme wirtschaftlicher, gesundheitlicher oder sozialer Natur in einem Land zu lösen. Bei der humanitären Hilfe hingegen geht es darum, Leben zu retten und den Menschen bei Naturkatastrophen, politischen Krisen oder bewaffneten Konflikten zu helfen. Es geht darum, die Menschlichkeit zu erhalten.

Wie hoch ist Luxemburgs jährlicher Beitrag zur Entwicklungshilfe bzw. zur humanitären Hilfe?

Luxemburg versucht, jährlich ein Prozent des Bruttonationaleinkommens für die „Aide publique au développement“ (APD) einzusetzen. 2015 waren das 325 Millionen Euro – das entsprach „lediglich“ einer Rate von 0,95 Prozent. Das hatte damit zu tun, dass das Bruttonationaleinkommen gegenüber dem Budget um 13 Prozent gestiegen ist, so dass wir unsere Engagements nicht mehr anpassen konnten. Wir haben aber das erreicht, was die Regierung sich zum Ziel gesetzt hatte. Auch wenn das Bruttonationaleinkommen weniger hoch gelegen hätte, hätten wir ein Minimum von 323 Millionen Euro eingehalten. 2014 lag der Prozentsatz übrigens bei 1,06 – sodass sich die Zahlen ausgleichen. Von den insgesamt 325 Millionen Euro wurden rund 40 Millionen für humanitäre Hilfe benutzt. Von diesen 40 Millionen flossen 75 Prozent (rund 30 Millionen Euro) in Notfälle, 20 Prozent wurden für den Wiederaufbau und fünf Prozent für Prävention eingesetzt.

Wie hat das Verhältnis der beiden Beiträge sich in den vergangenen Jahren entwickelt?

In den vergangenen zehn Jahren ist die Gewichtung relativ konstant geblieben. Aufgrund der dramatischen humanitären Lage in der Welt ist rezent der Anteil für humanitäre Hilfe jedoch von 30 auf 40 Millionen Euro angehoben worden. Besonders im Bereich der Vorbeugung gehören Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe zusammen, sodass vor allem der Anteil für Nothilfe erhöht wurde. Über 60 Millionen Menschen sind zurzeit auf der Flucht. Mehr als 130 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, braucht die Uno 21,6 Milliarden Euro. Bislang sind allerdings erst 5,5 Milliarden Euro zusammengekommen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass Luxemburg diesbezüglich seine Hausaufgaben gemacht hat.

Besteht nicht ein Problem darin, dass viele Länder Gelder zusagen, sie aber später nicht spenden?

Das war ein Thema auf dem Gipfel für humanitäre Hilfe im Mai in Istanbul, an dem Premier Xavier Bettel und ich teilgenommen haben. Wichtig ist, an die Menschlichkeit der gesamten Bevölkerung zu appellieren, um solidarisch vorzugehen und die Versprechen zu halten. Ein Engagement ist ein Engagement, das dann solidarisch genommen wurde. Ein weiterer wichtiger Punkt besteht darin, die Menschenrechte stärker zu respektieren. Der Schutz der freiwilligen humanitären Helfer muss garantiert sein. Die Spielregeln, die immer gegolten haben, müssen auch weiterhin gelten.

Welche Zusagen hat Luxemburg auf dem Weltnothilfegipfel in Istanbul gemacht?

Neben den 32 grundlegenden Zusagen, die auch von den anderen Teilnehmern gemacht wurden, hat Luxemburg 42 individuelle Engagements genommen. Zudem haben wir uns dem „Grand Bargain“ angeschlossen, um mehr Effizienz in die humanitäre Hilfe zu bringen und die Koordination zu ver- bessern. Nach dem Gipfel hat die Regierung gemeinsam mit Care in Luxembourg, der Fondation Caritas Luxembourg, dem Luxem- burger Roten Kreuz, Handicap International Luxembourg und MSF Luxembourg die erste „Charte humanitaire du Luxembourg“ unterzeichnet. In dieser Charta haben wir uns neue Regeln gegeben, um effizient vor Ort zu arbeiten. Ich war im außenpolitischen Ausschuss des Parlaments und dort haben alle Parteien dem Programm ihre volle Unterstützung gegeben. Es ist für uns eine Riesenchance, dass es in dieser Politik Kontinui- tät gibt, weil diesbezüglich nie Parteipolitik gemacht wird – der eine ist mal nüancierter als der andere. Das ist im Ausland anders. Dort wird oft versucht, mit solchen Situationen Angst zu schüren und Gelder anders zu investieren als nötig.

Warum engagiert sich Luxemburg so stark in der Entwicklungs- bzw Nothilfe?

Für mich geht es hierbei um Solidarität und Menschlichkeit. Das Großherzogtum hat immer wieder versucht, auf verschiedenen Ebenen ein Ruhepol bzw. ein Brückenbauer zu sein. Jeder hat Interesse daran, dass wir Menschen nicht nur friedlich, sondern auch unter den würdigsten Bedingungen leben können. Es ist nicht nur eine noble Aufgabe, sondern im Allgemeinen eine Aufgabe, die wir uns als Politiker, als Regierung, als Länder setzen sollten. Wir können stolz darauf sein, was wir in den vergangenen Jahrzehnten in der Entwicklungshilfe bzw. in der humanitären Hilfe geleistet haben.

In welchen Ländern ist Luxemburg präsent?

Für die humanitäre Hilfe hängt es natürlich davon ab, in welchem Land eine Krise passiert. Ob es sich um einen Tsunami, einen Tropensturm oder ein Erdbeben handelt, sind wir sofort präsent, um zu helfen. Rezente Beispiele sind die Philippinen, Südsudan und Nepal. Dort haben wir unser weltweit einzigartiges Instrument emergency.lu eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine mobile Satellitenplattform – die in Partnerschaft mit der SES, Hitec Luxembourg und der Luxembourg Air Rescue entstanden ist – die binnen Stunden im Krisengebiet installiert und für die Koordination der Hilfsmaßnahmen eingesetzt werden kann. In diesem Bereich ist Luxemburg nur stark, weil das Land schnell reagieren kann und das mit sogenannten leichten Mitteln. Luxemburg ist nicht ausgestattet mit schweren Mitteln wie großen Flugzeugen, Baggern oder Panzern. Wir sind fähig, rapide Kontakte herzustellen, Helfer rasch vor Ort zu bringen und dort das nötige Know-how umzusetzen.

Syrien ist ein Land, in dem wir derzeit über humanitäre Akteure aktiv sind. Auch im Irak und in Jemen helfen wir konkret. Neben diesen stark mediatisierten Krisen sind wir aber auch bei vergessenen Konflikten an anderen Orten tätig wie in Zentralafrika oder Niger rund um den Tschadsee, wohin Hunderttausende Menschen vor Boko Haram und anderen Terroristen geflüchtet sind. Unsere Partnerländer in der Entwicklungshilfe sind seit Januar 2016 Niger, Mali, Burkina Faso, Kap Verde, Senegal, Nicaragua und Laos. Wir haben vor, uns innerhalb von fünf Jahren aus dem Vietnam und aus Salvador zurückzuziehen und voraussichtlich Myanmar als neues Land für Entwicklungshilfe aufzunehmen.

Warum wurde das Motto „One Humanity“ für den diesjährigen internationalen Tag der humanitären Hilfe gewählt?

Das Motto weist darauf hin, dass die Menschlichkeit, die Solidarität im Mittelpunkt stehen soll. Menschen sollen unter fairen, humanitären Bedingungen leben können. Der Welttag wurde nach dem Anschlag in Bagdad im Jahr 2003 (siehe Kasten) ins Leben gerufen. Er ist aber auch in gewisser Hinsicht eine Folge des Weltnothilfegipfels in Istanbul, dass alle Engagements umgesetzt werden. Die Tausende freiwillige Helfer müssen im Einsatz respektiert und geschützt werden. Es ist gut, dass dieser Tag mediatisiert wird, um einerseits auf die großen Bedürfnisse hinzuweisen und andererseits den Freiwilligen vor Ort Danke zu sagen.

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