« Der Ruhepol der Sozialisten »: den LSAP-Fraktiounssekretär Claude Tremont am « Wort »-Portrait.

Von Christoph Bumb

Claude Tremont ist kein Mann der lauten Worte. Abwägend, aber bestimmt spricht er über luxemburgische Politik und seine Rolle in diesem besonderen „Geschäft“. Seine Rolle wirkt unscheinbar, ist aber in ihrer Bedeutung im politischen System nicht zu unterschätzen. Seit knapp fünf Jahren ist Tremont Fraktionssekretär der LSAP. Rund sieben Jahre lang war er zuvor schon als Attaché parlementaire für Finanz- und Wirtschaftsfragen zuständig.

In beiden Funktionen hatte der heute 40-Jährige mitunter bekannte Vorgänger. Besonders einer bleibt in den Gängen der LSAP-Fraktion am Krautmarkt, unweit der Chamber, in Erinnerung. Ein gewisser Etienne Schneider war von 1997 bis 2004 Fraktionssekretär und zuvor als ökonomischer Berater der LSAP-Fraktion tätig. Schon damals verbarg der heutige Vizepremier nicht seine ausgeprägten politischen Ambitionen.

« Dreh- und Angelpunkt » ?der parlamentarischen Arbeit

Tremont ist kein Schneider. Das gibt er auch unumwunden zu. „Wir leben heute in anderen Zeiten“, lautet seine Antwort auf die Frage, ob der Posten des Fraktionssekretärs früher nicht viel politischer war. So sieht er seinen Job auch nicht als Sprungbrett für höhere Weihen der Politik. „Ich habe das Glück, einen Beruf zu haben, der mir Spaß macht und der mich jeden Tag aufs Neue erfüllt“, so Tremont.

Den Spaß an seiner Arbeit merkt man ihm trotz seiner eher zurückhaltenden Art an. Immer freundlich, immer hilfsbereit begegnet er seinen Kollegen in der Fraktionszentrale der Sozialisten. Was macht den Job des Fraktionssekretärs aus? Tremont nennt es, und damit sich selbst, den „Dreh- und Angelpunkt“ der parlamentarischen Arbeit der LSAP. Er sei gewissermaßen das Bindeglied zwischen den in der Öffentlichkeit mehr oder weniger bekannten 13 Abgeordneten der Partei und den im Hintergrund agierenden Fraktionsmitarbeitern.

Verwaltung und politisches « Mikromanagement »

Einen beträchtlichen Teil seiner Arbeit nimmt die Verwaltung und das Personalmanagement ein. Außer ihm arbeiten sieben Attachés, die jeweils für mehrere Politikbereiche zuständig sind, und drei Verwaltungskräfte in der Fraktion. Doch auch der Fraktionssekretär ist nach wie vor in die Dossierarbeit eingebunden. Budget, Steuerreform, Trennung von Kirche und Staat: Die „großen“ Dossiers seien immer noch zum Teil „Chefsache“, sagt der „Chef“.

Auf die Rolle der Fraktionsmitarbeiter in der Gesetzgebung angesprochen, blüht Tremont regelrecht auf. Er kann seine Begeisterung vom politischen „Mikromanagement“ schwer verbergen. „Ein Gesetz machen geht über Politik machen hinaus“, sagt er. Dabei gehe es um viel und zeitaufwendige Detailarbeit, „juristisches und gesetztechnisches Klein-Klein“, was in der Bevölkerung wohl bei aller parteipolitischen Auseinandersetzung nicht viel Beachtung finde.

Hier ist Tremont jedenfalls in seinem Element. Und genau hier wird klar, was er mit seiner Rolle als „Bindeglied“ meint. So gut wie alle Gesetzvorhaben, die in der Regel in den Ministerien geschrieben werden, landen irgendwann auf seinem Tisch. Er und seine Mitarbeiter briefen die Abgeordneten, bereiten Reden, schriftliche Berichte und die Arbeit in den Ausschüssen inhaltlich vor.

Politisch denkend, aber kein Parteipolitiker

Doch auch schon im Vorfeld, bei den Verhandlungen der Koalitionsparteien, also bevor überhaupt ein Artikel des Gesetzes geschrieben ist, sind Tremont und Co. schon am Prozess beteiligt. Zu guter Letzt sind es dann auch die Fraktionsmitarbeiter, die den Inhalt einer Reform auf das Wesentliche herunterbrechen und der Parteibasis vermitteln sollen.

"Er ist der ruhende Pol unter uns": LSAP-Fraktionschef Alex Bodry über seinen Fraktionssekretär und Vertrauten, Claude Tremont.
« Er ist der ruhende Pol unter uns »: LSAP-Fraktionschef Alex Bodry über seinen Fraktionssekretär und Vertrauten, Claude Tremont.
Foto: Chris Karaba

Tremont gehört selbst zu dieser Basis. Seit er für die LSAP-Fraktion arbeitet, ist er auch Parteimitglied. Nach zwei „mäßig erfolgreichen Gehversuchen“ in der Gemeindepolitik wisse er aber, dass die aktive Politik nichts für ihn ist.

Dennoch identifiziert er sich mit den Idealen der Partei. Schon als Jugendlicher – etwa als Klassensprecher und Redakteur einer Schülerzeitung – habe er sein Interesse für Politik entdeckt. Warum die LSAP? Keine andere Partei setze sich so konsequent für soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Fortschritt ein, sagt er.

« Speaking points » für Reden der Parlamentarier

Auch wenn die Zeiten der parteipolitisch überdurchschnittlich ambitionierten Fraktionssekretäre wohl (nicht nur bei der LSAP) vorbei sind, gibt Tremont zu, dass eine völlige Trennung illusorisch sei. Jeder, der in einer Fraktion arbeitet, denke und handele politisch. Aber: „Es gibt eine klare Trennung“ zwischen der politischen Arbeit der Abgeordneten und der Vorbereitung dieser Arbeit durch die Mitarbeiter.

Beispiel Redenschreiben. In Luxemburg gebe es einige Parlamentarier, die ihre Reden ganz selbst formulieren, sagt Tremont. Für andere bereite man dagegen gewisse „speaking points“ vor oder trage zumindest die Faktenlage zum jeweiligen Thema zusammen. Die wirklich politische Dimension einer Rede – etwa ein rhetorischer Seitenhieb auf die Opposition – komme dabei aber von den Abgeordneten selbst, „und das oft auch ziemlich spontan“, betont Tremont mit einem Schmunzeln im Gesicht.

Vom Klassensprecher ?zum Berater im Hintergrund

Sein Job sei also eher der eines „Koordinators“ und „Beraters“ der Politik. Klingt eher nüchtern, kann aber auch spannend sein, wie der studierte Politologe mit Bezug auf die Regierungskrise 2013 bemerkt. „Wenn man näher dran ist, merkt man schnell: Politische Theorie und politische Praxis sind zwei Paar Schuhe“, sagt er. Außer den Politikern selbst sind in der Tat nur wenige Menschen so nah am politischen Geschehen wie die Tremonts des Landes.

Spannend mache seine Tätigkeit aber auch, dass sie sehr abwechslungsreich ist. „Man muss flexibel, belastbar, anpassungsfähig sein, man muss recherchieren, koordinieren und sich fast täglich auf neue Dinge einlassen“, erläutert Tremont, mit dem veranschaulichenden Zusatz: „Ein wenig so wie im Journalismus.“

So gebe es auch keinen „typischen Alltag“. Da einige Mandatsträger auch in den Gemeinden aktiv sind, würden etwa viele Versammlungen aus Termingründen später am Abend oder in der Mittagspause stattfinden, was die Anforderung der Flexibilität nur noch weiter erhöhe. „Eine normale 40-Stunden-Woche ist eindeutig die Ausnahme“, so Tremont.

Mit Pragmatismus durch den stressigen Alltag

Nicht jeder ist für diesen Job geeignet. Tremont kommt dabei wohl zugute, dass er bei aller Abwechslung und bei allem alltäglichen Stress nur schwer aus der Ruhe zu bringen ist. „Er ist der ruhende Pol unter uns“, beschreibt demnach auch LSAP-Fraktionschef Alex Bodry seinen Vertrauten und engen Mitarbeiter. Hin und wieder nimmt sich Tremont aber auch ausdrücklich die Zeit für diese Ruhe. Manchmal stürze er sich erst später am Abend so richtig auf seine Dossiers, wenn die meisten seiner Mitarbeiter nicht mehr zur stets offenen Tür seines Büros reinplatzen können.

Da er erst seit 2004 in der Fraktion arbeitet, hat er das Wirken der Sozialisten aktiv nur als Regierungspartei miterlebt. Dabei macht er persönlich keine großen Unterschiede zwischen der Arbeit in der Dreierkoalition und der Zeit der Koalition mit der CSV aus. Er stehe in ständigem Kontakt mit seinen Pendants in den beiden anderen Koalitionsparteien, pflege aber auch noch ein gutes Verhältnis mit der Fraktionssekretärin der CSV, Nadia Rangan.

Diese über Jahre bewährte Kollegialität leide auch nicht unter den aktuellen Mehrheitsverhältnissen, sagt Tremont ganz pragmatisch. Wie gesagt, für die parteipolitischen Seitenhiebe sind im Fraktionsgefüge der LSAP andere zuständig.

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