Die #LSAP erneuern? – Ein Meinungsbeitrag von Alex Bodry.

Was für die Schwesterpartei SPD in Deutschland gut ist, sollte der LSAP in Luxemburg auch recht sein. Nach dem Wahldebakel der Sozialdemokraten im Nachbarland begibt sich die Partei in eine schwierige, aber unerlässliche Zukunftsdebatte inklusive schonungsloser Analyse der Lage und Grundsatzdiskussion über die politische Orientierung. Ohne eine kritische Aufarbeitung der Vergangenheit und dem nötigen Mut zum Aufbruch wird es keinen Aufschwung für die deutsche Sozialdemokratie geben.

Dies gilt sowohl in personeller wie auch vor allem in inhaltlicher Hinsicht.

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Dialogveranstaltungen mit den Parteimitgliedern, und besonders mit den zigtausenden, neuen, vor allem jungen SPDlern stellen eine erste Stufe dieses Erneuerungsprozesses dar.

Und in Luxemburg? Die Umfragewerte sind schlecht, die LSAP hat die Kommunalwahl verloren, auch wenn sie unangefochten Nummer 2 bleibt. Es stehen die Parlamentswahlen bevor, es verbleiben gut elf Monate um zuzuhören, zu diskutieren und zu überzeugen.

Ein knappes Jahr bleibt der LSAP um die verbliebenen Punkte des Koalitionsprogramms umzusetzen. Vieles wurde in der Tat in dieser Mandatsperiode, gerade auch an LSAP-Vorschlägen, umgesetzt. Die letzten vier Jahre wurde Luxemburg nicht bloß verwaltet, es wurde auch gestaltet, positive Reformen eingeleitet. Unser Land hat die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 gut überstanden. Es geht wieder bergauf. Die Arbeitslosigkeit ist seit fast drei Jahren rückläufig, die Kaufkraft der Haushalte steigt erneut, dank der wiederhergestellten Indexierung von Löhnen, Gehältern, und Pensionen und dank vor allem einer sozial ausgewogenen, gerechten Steuerreform, von der kleine und mittlere Einkommen verhältnismäßig am meisten profitieren.

In der Gesellschaftspolitik sind es die Reformen im Familienrecht, sowie von allem die Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirchen, die historischen Charakter haben. Die Staatsfinanzen werden ordentlich geführt. Ohne Steuerreform und höhere öffentliche Investitionen in Schulen, Sozialeinrichtungen, öffentlichen Transport usw. gäbe es kein Budgetdefizit. Besser ein vernünftiges Defizit im Haushalt als ein Investitionsdefizit des Staates oder ein Einkommensdefizit bei den Bürgern. Dies ist eine verantwortliche und zukunftsorientierte Politik. Eine Sparpolitik, wie sie CSV und ADR propagieren, gefährdet den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und erhöht das Armutsrisiko.

 

Die Arbeit in der Regierung vervollständigen

 

Spitalplan, Polizeireform, Reform des Mindesteinkommens, Sonderurlaubsregelung, Neuorganisierung der Rettungsdienste … die Liste der Gesetzesinitiativen, deren Verabschiedung bevorsteht, ist beeindruckend: es ist der klare Beweis dafür, dass die Regierungsarbeit unvermindert anhält. Gekoppelt sind diese Gesetzesinitiativen an eine breit angelegte Debatte über die Weiterentwicklung des Luxemburger Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells, Stichworte Rifkin-Bericht und Landesplanung. Die Diskussion über die Zukunftschancen unseres Landes wird 2018 intensiv weitergeführt werden. Ein breiter, globaler Planungs- und Denkprozess ist angekurbelt worden. Dies ist das Verdienst dieser Koalition. Er wird über den Wahltermin hinaus andauern.

In diesem Rahmen ist auch die Wachstumsfrage zu diskutieren.

Nicht wieviel Wirtschaftswachstum wir wollen oder brauchen ist entscheidend, sondern welches Wachstum wir anstreben. Genau in diesem Punkt liefert die von Wirtschaftsminister Schneider ausgelöste Debatte einige wertvolle Ansätze. Die soziale Komponente der Studien gilt es zu stärken.

Was Null-Wachstum bedeutet ist offensichtlich: Explosion der Arbeitslosigkeit, Kaufkraftverlust, Rentenkürzungen, längere Arbeitszeiten, Investitionsrückgang, und soziale Spannungen. Wer mit einer solchen Idee kokettiert, der spielt mit dem Feuer!

Wir brauchen qualitatives Wachstum, welches die natürliche und menschliche Umwelt weniger belastet, eine Kreislaufwirtschaft und eine Entwicklung in Wirtschaftsbranchen mit hohem Mehrwert. Wir brauchen auch eine stärkere wirtschaftliche und soziale Kohäsion in der Großregion, ansonsten wir am eigenen Erfolg förmlich ersticken.

Diese solide Bilanz in puncto Ideen wie Projekten der LSAP-DP-Gréng-Koalition insgesamt, wie auch insbesondere der LSAP-Regierungsmitglieder, wird jedoch nicht ausreichen, um Wahlen zu gewinnen. Die Parlamentswahlen sind noch nicht entschieden, das wird erst im nächsten Oktober der Fall sein.

Obwohl die Einschätzung der Wirtschaftslage, selbst bei den Konsumenten, vor kurzem einen Höchststand erreicht hat, besteht eine diffuse subjektive Unzufriedenheit. Die Opposition und vor allem die CSV profitiert von dieser allgemeinen Stimmungslage, ohne wirklich Alternativkonzepte und griffige Rezepte für die Zukunft vorzulegen. Je weniger die Christdemokraten konkret werden, desto höher scheint ihre Zustimmung. Kritik allein scheint zu genügen, vorerst zumindest.

 

Das Profil der Partei schärfen

 

Für die LSAP ist es unerlässlich, in den kruzialen, politischen Fragen klare Kante zu zeigen! Vor allem – aber nicht nur – als Partei der globalen Gerechtigkeit. Anders als ihre Schwesterpartei SPD während der Wahlkampagne wird sie Sorge tragen, es nicht beim bloßen Prinzip zu belassen.

Sie wird diesen sozialdemokratischen Grundwert der Gerechtigkeit in sämtlichen relevanten Politikfeldern präzise auf die praktische Ebene herunterbrechen müssen. In der Schulpolitik, der Weiterbildung, der Familienpolitik, in Steuerfragen, beim Wohnungsbau, usw. Sie wird konkrete Antworten liefern müssen.

Die LSAP steht für Demokratie und Mitsprache der Bürger. Klare Kante zeigen in institutionellen Fragen heißt, die traditionellen Formen unserer Demokratie zu hinterfragen und Neuerungen zu wagen. Dazu gehört u.a. die Stärkung des Parlaments gegenüber der Regierung, eine stärkere Einbindung der Bürger in den Gesetzgebungsprozess, die Einführung eine Volksinitiative, sowie eine Reduzierung der Zahl der Abgeordneten in einem Vollzeitparlament.

Die LSAP steht für technischen Fortschritt und sozialen Zusammenhalt. Die fortschreitende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft bedarf klarer Regeln und Normen, wenn sie nicht zu einer Verschärfung der sozialen Schieflage in der Gesellschaft führen soll. Arbeitsteilung, neue Arbeitsformen, Regelung der Arbeitszeit, Mindestlohn und Grundeinkommen; in all diesen Themenbereichen ist es an den Sozialisten und Sozialdemokraten die richtigen Akzente im Arbeitsrecht, im Steuerrecht und in der Bildungspolitik zu setzen. Nur so kann der globale digitale Kapitalismus gebändigt werden.

Die LSAP muss sich den wachsenden globalen ökologischen Herausforderungen stellen, an erster Stelle dem Klimaschutz. Knappheit der Wasserressourcen, fortschreitende Luftverschmutzung, steigende Müllberge … die Solidarität gegenüber den nächsten Generationen gebietet uns, diese Fragen systematisch in unsere Überlegungen einzubinden. Mehr denn je ist vernetztes Denken und Handeln gefordert.

Die LSAP soll sich ihrer Tradition als Friedens- und Europapartei stärker bewusst werden. Europa ist nicht Ursache unserer Probleme, Europa ist meist die Lösung dafür. Weniger Europa, mehr Grenzen oder gar Mauern, eine solche Haltung wird uns weit zurückwerfen. Lasst uns nicht vergessen, auch die Ursachen der Flüchtlingsströme zu bekämpfen.

 

Modernisieren und Erneuern

 

Die LSAP wird sich auch personell und organisatorisch weiter erneuern müssen. Der Anfang dieses Prozesses (3 neue Regierungsmitglieder von 7, 6 neue Abgeordnete von 13) fand 2013 statt. Er wird sich 2018 fortsetzen müssen.

Das beginnt bei der Bestimmung der Kandidatenlisten für die Abgeordnetenkammer: mindestens 40% weibliche Kandidaten, wenn möglich 40% neue Kandidaten insgesamt, davon ein Viertel junge Kandidaten. Eine solche mögliche Zielsetzung wäre ambitiös, aber bei festem politischen Willen zu machen.

Dieser Prozess der Erneuerung wird auch über den Wahltermin hinausreichen.

Trotz statutarischen Anpassungen bleiben die Parteistrukturen rigide, die Parteirituale teils veraltet und die Gestaltungsmöglichkeiten der Mitglieder relativ beschränkt. Die LSAP sollte versuchen, sich graduell als Bürgerbewegung neu zu definieren und die Informationstechnik als Plattform für Austausch, Debatte und Entscheidung stärker nutzen. Dies könnte, wie es der Parteiführung vorschwebt, bereits im Hinblick auf die Ausarbeitung unseres Wahlprogramms geschehen, in die alle Parteimitglieder, aber auch alle interessierten Kreise miteingebunden werden sollten. In der Tat stellt die Lokalsektion für manche kein attraktives Format für politische Arbeit dar. Digitale Beteiligungsmöglichkeiten sprechen vor allem junge Sympathisanten an. Sie bieten ein großes Potential für mehr Teilhabe in der Partei ebenso wie eine projektgebundene, zeitlich begrenzte Mitarbeit.

Diese Reformen und Umstellungen sind nötig, nicht aus Gründen des Selbsterhalts, sondern weil die Sozialdemokraten oder die demokratischen Sozialisten gebraucht werden, damit das « Wir » in unserer Gesellschaft nicht unter die Räder kommt.

Die Idee einer besseren Welt war, wie Ralf Stegner vor kurzem schrieb, schon immer eine sozialdemokratische. Auch Luxemburg wird es guttun, verschiedene politischen Angebote vorzufinden, die die inhaltlichen Unterschiede deutlich machen. Die LSAP wird sich dabei von einer von Sachzwängen gezeichneten Kompromisshaltung und einem wenig attraktiven Abwehrdiskurs loslösen müssen. Kapitalismuskritik als Ausgangspunkt für ein transformatorisches Gesamtkonzept ist unumgänglich. Das sozialistische Programm soll vor allem Hoffnung vermitteln und die Gestaltung der Zukunft zum klar erkennbaren Ziel haben. Mit einem solchen klaren Wiedererkennungswert können Sozialdemokraten und Sozialisten auch wieder Wahlen gewinnen. Vor allem aber:

Die Werte, die man vertritt, müssen auch gelebt werden!

Alex Bodry,
3. November 2017 .

 

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